- Summer Open, Prag, 2021 -
06.08. - 13.08.

 
Wir locken den Sommer raus in Prag:
Geteilter 3. Platz für Sebastian
 
„My Corona“ - The Knack

Schachturniere muss man auch im Jahr 2021 mit der Lupe suchen. Zumindest in heimischen Gefilden. Im Ausland gibt es da schon mehr, so auch wieder das Prager Sommer-Open, welches wir schon im letzten Jahr besuchten. Diesmal auch komplett ohne Maskenpflicht, auch für Zuschauer. Zum Vergleich: Beim Meisterschaftsgipfel in Magdeburg ließ man nicht mal Zuschauer hinein. Aber da sind wir schon in einem Themenbereich, den ich hier nicht näher analytisch beleuchten möchte.

In Prag fanden sich 250 Teilnehmer ein, gespielt wurde im Olympik-Hotel, nur äußerlich eine dieser Asbest-Baracken Marke Nähmaschinenkombinat aus den 60er Jahren. Der Saal war vernünftig, die Klimatisierung war ok. Moderner war unsere Unterkunft: Wie im Vorjahr wohnten wir in einem Appartement im 13. Stock der Garden Towers. Das sind 5 Hochhaustürme (je ca. 50 Meter hoch) mit moderner Ausstattung, wir hatten einen hervorragenden Blick auf die Stadt. Das Spielhotel war nur ca. 10 Autominuten entfernt.

Es gibt auch wieder ein paar Bilder! Mein photographisches Zu-Kurz-Kommen wird
hoffentlich kompensiert durch die Möglichkeit, die Bilder durch anklicken zu vergrößern
(die den Text störenden und unwichtigen Diagramme allerdings nicht!)

Unsere Unterkunft, die Garden Towers
Das Appartement

„Into the great wide A-Open“ - Tom Petty

Sebastian und Maik starteten im A-Open der Veranstaltung. Das war ganz gut besetzt. So fand sich Sebastian an Platz 25 der Setzliste wieder. Vier Großmeister gaben sich hier die Ehre, dazu ein paar Hände voll IM und FM. Die üblichen Verdächtigen, die man immer wieder trifft. Aber es kommen immer mehr junge Leute hinzu. Und die werden schnell besser… Das sind dann Spieler mit 2100, etwa 20 Jahre alt, die im Turnier dann irgendwie schon 2300-2400 performen - und wenn man sie dann bekommt als 2250er, wie Sebastian, ist das immer undankbar. Ach watt! Wird schon nicht passieren...

„Wenn du gut werden willst, musst du die Kinder schlagen!“ Sollte in diesem Turnier aber zumindest mal kein Problem werden. Wie schon im letzten Jahr - und bei dem ein oder anderen Turnier dazwischen - nahm ich lediglich meine Pflichten als generelles Faktotum wahr. Dies ist allerdings nicht panischer Angst vor Viren geschuldet, vielmehr habe ich nicht immer die Lust, mich dem Stress eines Schachturnieres auszusetzen. Man kann ja auch mal eine etwas entspanntere Zeit verbringen, und sich trotzdem mit Schach umgeben.
 

Hotel Olympik
Das Tor zur Halle
Heimat der Patzmäuse

„The time-controls they are a-changin‘“ - Bobby Dylan

Fischer Kurz - das ist die heutige Turnierbedenkzeit, so auch in Prag: 90 Minuten für 40 Züge, danach nochmal 30 Minuten dazu. Von Anfang an gibt es 30 Sekunden Aufschlag pro Zug. Die Tendenz scheint weiter in Richtung Verkürzung zu gehen: Oftmals, wie in Magdeburg, gibt es nach 40 Zügen nur 15 Minuten drauf. Der letzte Schrei, den man immer häufiger sieht, ist 90 Minuten + 30 Sekunden Inkrement - für die gesamte Partie. Zum Glück hat sich das noch nicht breitflächig durchgesetzt. Aber warten wir es mal ab.

Eine Runde gab es pro Tag, die immer um 16 Uhr anfing. Am dritten Turniertag gab es eine Doppelrunde. Das stört etwas den Rhythmus und scheint mir nicht notwendig zu sein. Nachmittags zu beginnen ist für Eulen wie uns optimal, vielleicht ist 15 Uhr wie in Pardubice noch etwas angenehmer, aber im Grunde passte das in Prag schon ganz gut. Zum Tagesablauf später etwas mehr, starten wir jetzt mal in das Turnier. Ja, der Bericht wird lang. Länge geht hoffentlich nicht automatisch einher mit langweilig!

Runden 1 - 2: Ein holpriger Start
„Start me up, and I’ll never stop“ - Mick Jagger

Unsere beiden Kämpfer starteten beide mit Weiß. Gute Sache! Man konnte also hoffen, in den 9 Runden eine Weißpartie mehr zu haben. Am Ende sollte sich diese Hoffnung bei Maik nicht erfüllen. Sebastian startete mit Weiß gegen 1900. Keine strenge Partie, vom Gegner aber noch viel weniger, der durch einen völligen Blackout im 20. Zug die Partie wegstampfte:
 

Sebastian vs. Novotny
Black to patz

Schwarz steht etwas verdächtig, könnte aber hier mit Da8 eine Art Smylsov-Formation einnehmen (der Turm auf der offenen c-Linie wird von beiden Schwerfiguren gedeckt). Weiß müsste dann noch etwas arbeiten für den ganzen Punkt. Jedoch kam ein „… gigantic howler of major proportions“ (Seirawan) mit 20. … Lxd4?? 21. Txc8, und nach ein paar weiteren Ziehzügen gab Schwarz auf.

Der nächste volle Zähler musste aber auch her, mit Schwarz ging es gegen 2000. Hier stand Sebastian aber völlig neben sich und spielte eine schlechte Partie. Vielleicht hatte er sich noch nicht akklimatisiert? Hier etwas zur Großwetterlage in dieser Partie:
 

Navratil vs. Sebastian
Schwarz am Zug verliert

Sebastian hatte seine Bauernstruktur am Damenflügel geschwächt, dann am Königsflügel einen Bauern „veropfert“. Vielleicht konnte man sich hier mit 33. … Sd4 noch auf die Hinterfüße stellen. Weiß steht natürlich besser, aber man muss den 250 Punkte schwächeren Gegner arbeiten lassen. Nach 33. … Se7? hatte es Weiß zu einfach und machte es dann auch recht gut. Bittere Niederlage für Sebastian, der etwas die Zähigkeit vermissen ließ.

GM Brecht meinte einst: Nach dem ersten Fehler war die Stellung noch mächtig, nach dem zweiten Fehler war sie noch spielbar und nach dem dritten Fehler war sie nicht mehr vorhanden. Maiks Start mit zwei Nullen gegen 2113 und 1966 war ebenfalls missglückt. Nach der Eröffnung stand er jeweils vernünftig, agierte dann aber nicht entschieden genug. Oldenburger Topfentruppe? Die Stimmung im Campo Bastia war gedämpft. Doch es sollte bald besser laufen für unsere Kämpfer!

Runden 3 - 4: Der Sonntag mit der Doppelrunde
„Sunday, bloody Sunday… I can’t believe the results today“ - Bono

Nach dem vor allem für Sebastian mieses Auftakt gingen es nun, quasi zur Strafe, auch noch am nächsten Morgen um 9 Uhr ans Brett - die Doppelrunde war angesagt! Es galt nun, das Ruder irgendwie herumzureißen. Das Motto war: Zwei Siege müssten her bei Sebastian. Dann hätte er mit 3,0/4 eine vernünftige Ausgangsbasis für die zweite Hälfte des Turniers, und es könnte doch noch ein guter Auftritt werden. Aber leicht gesagt. Weiß gegen 1900 war zunächst kein Problem, ein verdienter Sieg:
 

Sebastian vs. Lhotsky
Schwarz am Zug
Eine stehtische Weiterentwicklung:
Sebastian und sein Gegner nach der Partie

Schwarz fehlt ein Turm, bald auch ein König. Aber er stellte hier noch eine letzte, teuflische Falle mit 30. … b5+. Nun würde natürlich Kh1? wg. Dxd7 den Turm wieder einstellen. Bloß nicht! Nach Kg2 gab Schwarz aber auf. Die Nachmittagspartie war wesentlich dramatischer. Hier hatte Sebastian Schwarz gegen 2000, diese Gegnerin konnte er bereits letztes Jahr in Prag besiegen. Auch diesmal erhielt er eine Gewinnstellung - aber man sehe selbst, wie es weiterging:

Laurincova vs. Sebastian

Das ist wie ein stundenlanges Schlagen gegen einen Sandsack: Er schlägt nie zurück, macht aber auch nie schlapp. Nur 1,5 also am Doppel-Sonntag. Na gut - dann musste halt die nächste Runde gewonnen werden. Auch Maik machte 1,5 Punkte an diesem Tag, für ihn war es angesichts der Gegner aber ein Erfolg (1948 und 1981). Hier seine Taktik aus Runde 3:
 

Maik vs. Angermünde
Weiß wickelt ab

Es folgte hier 34. Txe6, der Spieß Lg8+ sorgt dann für den Übergang in ein gewonnenes Bauernendspiel. Das ist immer ein kritischer Moment, aber Maik hatte genau gerechnet und fuhr den Zähler ein.

Runde 5: Doppelsieg
„The turn of a friendly card“ - Alan Parsons

Okay, 2,5/4 für Sebastian statt der anvisierten 3,0. Nun… Siege mussten nun her, half ja nichts. Wenn nicht in Runde 4, so jetzt. Und nun lief Sebastian auch immer mehr zur Form auf. Mit den weißen Steinen ging es in Runde 5 gegen Martin Staszko - den Poker-Vizeweltmeister von 2011. Er war damals Zweiter im „Main Event der World Series of Poker“ hinter dem deutschen Sieger Pius Heinz. Allein damit hatte der Tscheche 5,5 Mio USD Preisgeld eingesackt - so lässt es sich natürlich auch entspannt Schach spielen!
 

Hochstapler: Martin Staszko
kam diesmal nicht ins Geld

Für Sebastian konnte es nur heißen "All-in": Ein voller Punkt musste her, da der Gegner auch nur 2072 ELO hatte. Der Tscheche erwischte kein gutes Turnier, am Ende verlor er fast 50 Ratingpunkte, und auch gegen Sebastian kam für ihn keine günstige Karte. Der Oldenburger überreizte sein Blatt in der Folge nicht - ein Fiasko für Staszko:

Sebastian vs. Staszko

Vielleicht ist die Partie kein klassisches Beispiel dafür, aber mir fiel zuletzt auf, dass aktuelle Engines wie Stockfish 14 mit Bewertungen der Größenordnung +3/+4 sehr schnell um sich werfen, ohne dass man begreift, warum. Ok, wer versteht schon die Engines! Aber sonst gab es solche Einschätzungen meist erst bei Materialgewinn o.ä. Scheint für die Motoren zu sprechen, dass sie die Vorteilhaftigkeit einer Stellung immer eher erkennen. Neben Sebastian punktete auch Maik voll, leider zum letzten Mal. Sein Gegner (1958) war das Opfer einer Eröffnungskatastrophe geworden:
 

Hajek - Maik
Wie stellt Weiß hier eine Figur ein?

Mit 8. De1 kann Weiß hier überleiten in eine der Hauptvarianten des Geschlossenen Sizilianers. Weiß entkorkte aber den „prominenten“ Figureneinsteller 8. Le3?? Prominent deshalb, weil der Zug immerhin 60x in den gängigen Datenbanken zu finden ist. Ich kenne das aus eigener, leidvoller Erfahrung: 1900er spucken manchmal noch die Figuren wie eine Popkornmaschine. Nun konnte Maik mit 8. … d5 einmal feucht durchwischen und eine Figur gewinnen. Weiß schleppte sich selbstquälerisch noch etwas weiter, aber konnte keine Probleme mehr stellen. Punkt. Oder vielmehr: Doppelpunkt!

Alltag in Prag

Sebastian kam immer mehr auf volle Touren und auch Maik war mit 2,5 aus den letzten 3 Runden bei 50% angekommen. Basts 3,5 brachten ihn nun erstmalig an ein Live-Brett. In Prag gab es im A-Open deren 14, die direkt ins Netz übertragen wurden. Bzw. zeitverzögert um 15 Minuten. Eigentlich eine Anti-Betrugs-Maßnahme, aber an sich schon ziemlich kurios. Man stelle sich das in anderen Sportarten vor. Und wer das technische Know-How hat, um zu betrügen, ist bestimmt nicht auf eine Live-Übertragung angewiesen.

Aber nun! Für mich machte es das Kiebitzen etwas leichter: Ich konnte die Partien von Sebastian ab jetzt bequem vom Appartement aus verfolgen bei einer Tasse Kaffee. Zu den dramatischen Schlussphasen zog es mich dann aber routinemäßig immer zum Spielsaal. Wo wir bei Routinen sind: Wichtig ist es für Schachspieler ja auch immer, einen täglichen Ablauf zu etablieren. Der sah bei uns in Prag so aus: Aufstehen 10 Uhr bis 10 Uhr 30. Dann gab es einen Kaffee. Es folgten Sport, Essen und Vorbereitung auf den Gegner, nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.

Nochmal ein Mittagsschläfchen bzw. etwas Entspannung, dann ging es zur Runde. Diese war meist gegen 20 Uhr, spätestens 21 Uhr zu Ende. Häufig wurde dann etwas gegessen, ggf. im Restaurant, meist wurde aber selbst gekocht. Abends wurden die gespielten Partien kurz betrachtet und der nächste Gegner schon mal ins Visier genommen. Von der Stadt bekamen wir nicht allzu viel mit, aber nett in Erinnerung sind mir zwei mitternächtliche Touren mit E-Scootern zum Wenzelsplatz, der nur ein paar Minuten von unserer Unterkunft entfernt lag. Die Nachtruhe kehrte dann meist gegen 2 Uhr ein.
 

Immer ein netter Anblick:
Die Garden Towers bei Nacht
Bast und ich vor
der Teynkirche

Runde 6: Gorillas im Nebel

3,5 aus 5 für Sebastian - okay, und nun wurden die Gegner langsam stärker: 2166 mit Schwarz. Ein gleichaltriger Gegner, welcher in Runde 2 eine dramatische Partie gegen GM Pap spielte, dazu weiter unten mehr. Dort hatten beiden Seiten ihre Gewinnchancen, am Ende gab es ein Remis. Man war also gewarnt. Die Stellung von Sebastians Partie war sehr schnell untheoretisch, wir hatten auch in der Vorbereitung gesehen, dass der Gegner viele Eröffnungen anpackt und auch unkonventionell spielt.

Hier griff Weiß zu Orang-Utan. Beide Seiten konnten ihrer Kreativität schnell freien Lauf lassen. Vor dieser Disziplin musste Sebastian keine Angst haben! Es lohnt sich, die von beiden Seiten kämpferisch geführte Partie in Gänze wiederzugeben, in der Schwarz ein schönes Bauernopfer anbringen konnte.

Krivanek - Sebastian

Bitter lief es für Maik: Er bekam Sebastians Gegnerin aus der 4. Runde, stand mit Weiß unter Druck, aber hätte sich am Ende mit einem Dauerschachmotiv retten können:
 

Maik - Laurincova
Weiß am Zugwiederholen

Schwarz hatte zwischendurch Vorteile, beim Material aber etwas zu beherzt zugegriffen. Denn Maik hätte nun, in der heißen Phase vor dem 40. Zug, das Remis sichern können, in dem die Dame mit ewigem Schach zwischen e6 und h3 pendelt. Man kann sogar Gewinnversuche machen mit Sf5, es zeigt sich aber schnell, dass Weiß auch da letztlich die Züge wiederholen muss.

Maik griff aber zu Sh5?, wonach Schwarz aber mit Dc1+ nebst Dh6 absichern und auf seine Mehrfigur pochen konnte. Mit einem Dauerschach hätte Maik Sebastian sozusagen revanchieren können für das Remis in der 4. Runde. Mit 1,5/2 sorgte die Tschechin aber somit für einige Verwüstungen im Oldenburger Lager.

Runde 7
„London Calling“ - The Clash

4,5 aus 6! Konnte Sebastian zum Angriff auf die vorderen Plätze blasen? Ja, jedoch war seine Nebenwertung eher schlecht. Gegner in der 7. Runde war wieder ein junger Tscheche, David Gloser, 2164 ELO, der hier ein starkes Turnier spielte und zu diesem Zeitpunkt etwa eine Turnierleistung von 2400 Punkten aufwies. Das sind die dankbaren Gegner, von denen eingangs die Rede war! Und die kamen ab jetzt in Serie.

Immerhin eine angenehme Erinnerung für mich: Gegen diesen Gegner gewann ich in Pardubice 2018, da hatte er allerdings gerade mal 2000 ELO aufzuweisen. In der Partie tat sich Sebastian schwer, sein London-Aufbau verfing nicht, und er stand mit dem Rücken zur Wand. Aber er konnte die Stellung verkomplizieren - und hätte sogar noch die Möglichkeit gehabt, mehr als nur einen halben Punkt zu retten:

Sebastian - Gloser

In der Analyse sahen beide Spieler ihre Stellung in der Schlussphase kritisch. Man war an einen Spruch von Tarrasch erinnert: Es sah nicht so aus, als würde einer der Spieler die Partie noch retten können! Aber doch - es gelang ihnen beiden. Maik erspielte ein respektables Schwarz-Remis gegen 2166! Aber vielleicht war hier sogar mehr drin, die weiße Stellung wirkte ein paar Mal verdächtig.

Runde 8: Im Vorwärtsgang
Vom Rache-Schach zum Rache-Matt

El Basto war wieder da und lag, trotz des Remis, mit 5 aus 7 weiter in Reichweite der Spitzengruppe. Nun ging es gegen ein ziemliches Kaliber: Richard Mladek, 19, 2315 ELO, hatte zuletzt in Pardubice den 1. Platz geteilt (nach Wertung 3.) und dabei drei Großmeister von der Platte geputzt. Seine Live-Elo war also schon 2400. Zudem spielte Sebastian mit Schwarz. Also wieder eines dieser netten Lose!

Aber der Oldenburger war in Form, während sein Gegner bis dato nicht an die Leistungen in Pardubice anknüpfen konnte. Die Partie ging im Grunde nur in eine Richtung, nachdem Weiß Material verlor. Vielleicht hätte er sich danach irgendwie retten können - aber die Lage war immer kritisch. Und am Ende bewahrte Sebastian die Ruhe. Beim Nachspielen werden wir das Motiv des Rache-Matts kennenlernen:

Mladek - Sebastian

Sehr schön! Hervorragende Stimmung an diesem Abend in den Garden Towers. Auch wenn Maik leider mit Weiß gegen 2100 verlor. Er stand lange auf Verlust, lieferte aber eine harte Verteidigungsschlacht. Und als wir uns schon sicher waren, dass er das Remis einfahren würde, unterlief ihm doch noch ein Missgeschick:
 

Maik - Hansch
Weiß am Zug remisiert

Hier scheint Sc2 leicht Remis zu machen. Wie will Schwarz fortsetzen? Der Springer pendelt zwischen c2 und e3. Der schwarze König kann den g-Bauern nicht aus den Augen lassen. Und wenn Schwarz die Figur tauscht, muss er den c-Bauern aufgeben - ebenfalls mit leichtem Remis. Leider kam 59. Kd3?, wonach noch … c2! ging. Maik musste mit dem König nehmen und verlor dann durch Lf2 den g-Bauern nebst der Partie. Schade, schade…

Runde 9: Einbahnstraße!
Schluss- und Glanzpunkt

Sebastian hatte 6 aus 8 und sich mittlerweile bis an Brett 5 hochgekämpft. Die letzte Runde war mal wieder eine Morgenrunde: Um 9 Uhr musste man am Brett sein. Arbeit nun auch für die Ein-Mann-Road-Crew: Die Bude musste geräumt werden! Frage war, würden unsere Jungs auch noch mal aufräumen - mit ihren Gegnern? Für Bast ging es gegen einen jungen Norweger, Jahrgang 2008, 2126 ELO, welcher aber im Turnier schon kräftig gemäht hatte und bei einer Performance von 2370 lag.

Wieder eines dieser schlechten Kids, die auch so überhaupt keine Leistung zeigen... Doch beim Großreinemachen ließ Bast mittlerweile sogar Marie Kondo wie ein Messi aussehen. Der Junge aus Stavanger hatte keine Chance und wurde vom Brett gefegt. Also wenn diese vielbemühte Metapher jemals angebracht war, dann hier:

Sebastian - Kvaloy

Der vom Brett gepustete Gegner soll soeben in der Nähe von Oslo wieder gelandet sein! Sehr gut, wie Sebastian hier Schwarz im eigenen Saft hat schmoren lassen und wie er seine Stellung langsam verbesserte, bis die schwarze Position quasi von selbst implodierte. Maik hatte noch mal eine wilde Partie mit Schwarz gegen 2000, aber war taktisch einmal nicht auf der Höhe, wonach sein König zu anfällig war. Dennoch machten wir uns vor der Siegerehrung noch einen schönen Nachmittag in der Prager Innenstadt, das Wetter hatte am letzten Tag auch endlich mal sommerliche Temperaturen zu bieten.
 

Sebastian auf dem Wenzelsplatz
Die 3 M: Manager, Muscheln, Maik

Partien-Nachlese A-Open

Man strolcht ja immer ein wenig durch den Turniersaal und kiebitzt an dem einen oder anderen Brett, wobei einem immer mal Kuriositäten unterkommen. Oder einfach interessante Partien. Hier mal ein paar Fundstücke aus dem A-Turnier!

An den vorderen Brettern tummelte sich ein kleiner Junge, der zunächst auffiel durch die Daten: Jahrgang 2010 und fast 2400 ELO (!). What!? Also, ein gewisser Magnus C. erreichte diesen Wert erst mit 12,5 Jahren. Aber ok, die jüngsten GM sind ja schon 12… In seiner folgenden Partie mit Schwarz in der 8. Runde stand er - zudem in Zeitnot - allerdings völlig auf Verlust… Unfassbar, dass sein Gegner das nicht gewinnen konnte:

Froeyman (2260) - Finek (2372)

Ein schlechtes Turnier erwischte der Topgesetzte GM Pap. In Runde 2 traf er auf Sebastians Gegner aus Runde 5, Krivanek, ein kreativer Spieler, der gegen Sebastian ja Orang-Utan herausgholt hatte. "Mich laust der Affe" dachte vermutlich der Großmeister in dieser Partie angesichts des unfassbar komplexen Duells. Beide Seiten hatten hier Gewinnmöglichkeiten, bevor schließlich der Punkt geteilt wurde.

Krivanek (2166) - Pap (2519)

Aber es ist natürlich leicht, die Partien im Nachgang mit einem Rechner zu sezieren, also seien wir gnädig. Keinen Computer braucht man für unser letztes Fundstück: Nach einem Figurenverlust schleppt Weiß seine Stellung fast 80 Züge lang weiter. Dann hat er immer noch eine Figur weniger, steht auch auf Verlust, aber…

Ouaki (2081) - Mica (2316)

Böses Ührchen! Soviel zu unserem Rundblick über das A-Open. Das Turnier wurde von einem Niedersachsen gewonnen: IM Sebastian Plischki, einstiger Landesmeister, belegte den 1. Platz nach Wertung!
 

Siegerehrung des A-Opens.
2x Sebastian aus Niedersachsen
2. v.r. unser Kämpfer und
2. v.l. IM Plischki vom SK Rinteln

Lukas‘ Abenteuer in London

Ein weiterer Niedersachse fand sich nach längerer schachlicher Abstinenz in Prag wieder am Brett ein: Lukas Heyne. Nachdem er, ähnlich wie Sebastian, zu Beginn des Turniers ein unbeabsichtigtes „Schweizer Gambit“ gespielt hatte (hier Niederlage gegen untere Hälfte in Runde 1) buchte er ab Runde 2 vier Siege en suite, dabei überfuhr er zweimal hintereinander sehenswert mit dem Londoner System seine Gegner aus dem 2200er-Bereich. Der Bericht wäre unvollständig ohne diese Partien!
 

Lukas - Bluebaum und Lukas - Gimenez
 

V.g.n.b.: Maik, Lukas, Bast

Fazit:

Sehr erfolgreiches Turnier für Sebastian. Eine Performance im Bereich 2300+ und ein geteilter 3.-7. Platz (nach Wertung „nur“ Platz 7) waren ein starker Auftritt. Nach der Pleite in der zweiten Runde wurden 6 aus 7 gebucht - beeindruckend! Maik ließ etwas nach in der zweiten Turnierhälfte, aber er landete zumindest mal im Plus mit einer Turnierleistung im 1900er-Bereich. Und da ist auch noch Luft nach oben.

Es war auch mal wieder angenehm, ein wenig in die Schachszene abzutauchen. In Deutschland gestaltet sich dies ja derzeit als eher schwierig. Turniere kann man hier an den Fingern einer Hand abzählen. Mal sehen, ob im Oktober die neue Mannschaftssaison planmäßig starten kann - und unter welchen Rahmenbedingungen.

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 21.08.2021
 

Brutos am Brett - in Prag
Glücksbringer erster Güte.